Schwedische Schären zwischen Klintemåla und Arkösund
Alexander hatte schon mehrfach begeistert von den Paddelurlauben mit seinen Eltern in Schweden berichtet. Sein Vater ist seit ca. 50 Jahren regelmäßig zum Paddeln in Schweden, erst mit seinem Paddelverein in Klausdorf an der Schwentine und später dann mit der Familie. Je nach Wetterlage wird kurzfristig entschieden, ob die westliche Schärenküste an der Nordsee bzw. dem Kattegat, die Schärenküste östlich oder die Ålandinseln in der Ostsee zwischen Schweden und Finnland angesteuert werden. Auf meine Nachfrage hatte ich dieses Jahr die Einladung erhalten an dem Familienurlaub teilzunehmen. Nachdem meine Hüftoperation im Dezember und die anschließende Rehabilitation erfolgreich waren und ich ab März wieder im Boot sitzen und ich auf dem Rhein trotz der Corona bedingten Einschränkungen für den Urlaub trainieren konnte, stieg meine Vorfreude auf einen dreiwöchigen Paddelurlaub in Schweden.
Diese wurde durch die Reisebeschränkungen getrübt, da bis kurz vor der geplanten Abreise Anfang Juli nicht klar war, ob wir durch Dänemark fahren, in Schweden einreisen und vor allem nachher auch wieder zurück nach Deutschland kommen würden. Da wir beim Paddeln in den Schären lediglich bei wenigen Einkäufen und beim zweimaligen Aufenthalt auf einem Campingplatz mit der schwedischen Bevölkerung Kontakt haben würden, schätzten wir unsere Ansteckungsgefahr als gering ein. Ich hoffte folglich auf eine Möglichkeit, die Paddeltour so wie geplant realisieren zu können. Kurz vor Abreise stand fest, dass es für Schweden keine Einreisebeschränkungen gibt und wir für die Durchreise durch Dänemark lediglich eine Buchungsbestätigung für einen Campingplatz in Schweden benötigten. Die notwendige Testung nach der Rückkehr wollten wir in Kauf nehmen, hatten dann aber das Glück, dass eine Woche vor unserer Rückkehr die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Schweden zurückgenommen wurde und wir ohne kostenpflichtigen Test bzw. Quarantäneverpflichtung heimfahren konnten.
Am Freitag den 3.7. holte ich mit gepacktem Auto und meinem geliebten „Alcedo“ auf dem Dach gegen Mittag Alexander zu Hause ab und wir fuhren zu seinen Eltern nach Trittau in der Nähe von Hamburg. Wir beide wurden von den Eltern herzlich empfangen und ich wurde in die Planungen für die nächsten drei Wochen einbezogen, die Wettervorhersage nannte für die nächsten Tage einen kräftigen Südwind von bis zu 7 Bft. Zum Glück lag der anzusteuernde Naturcampingplatz von Blankaholm (ca. 300km südlich von Stockholm) sehr geschützt etwa 10 km im Landesinnern. Die Entscheidung für die Schären an der Ostseite von Schweden südlich von Stockholm erwies sich auch in den kommenden Tagen als goldrichtig. Mit kräftigem Rückenwind starteten wir dann am frühen Samstagmorgen mit zwei Autos, vier Personen, den Einern „Cetus“ von Matthias und „Hanseat“ von Alexander sowie dem Zweier „Pazifik“ der Eltern auf die 900 km lange Strecke zum Naturcampingplatz Blankaholm. Alexander und ich mussten in unserem Auto mit dem Kölner Kennzeichen an der dänischen Grenze tatsächlich die Buchungsbestätigung vorzeigen. Auf den 3 Brücken, auf denen wir die Ostsee überquerten, bevor wir nach Malmö in Schweden kamen, merkten wir den starken Wind und waren beim Blick auf’s Wasser mit seinen weißen Schaumkronen froh, dort nicht mit den beladenen Kajaks unterwegs zu sein.
Am späten Nachmittag erreichten wir den idyllisch gelegenen Naturcampingplatz von Blankaholm. Hier im Norden war der Wind nicht mehr so stark, aber es war nass und mit 13 Grad ungemütlich frisch. Auf dem Platz waren nur wenige Gäste und wir vier Personen erhöhten die Zuschauerzahl beim Konzert eines südafrikanischen Sängers am Abend auf der kleinen Bühne deutlich. Soweit möglich packten wir schon unsere Sachen in die Boote, die Idee war; am nächsten Morgen gegen 10 Uhr nach dem Frühstück unsere Tour mit dem Rückenwind nach Norden zu starten. Ute, Adolf und Alexander sind durch die vielen gemeinsamen Paddelurlaube ein eingespieltes Team, es sitzt jeder Handgriff und die Aufteilung des Gepäcks ist erprobt und bewährt. In die riesige vordere Luke des Pazifiks kamen die Lebensmittel (für vier Tage und vier Personen), hinten war Platz für zwei Trangia-Kocher und den sagenhaften Wasserkocher, „Kelly Kettle“ mit dem wir mit sehr wenig Holz 1,6 l Wasser zum Kochen brachten, Spiritus und weitere Lebensmittel. Kochutensilien wurden in einer Box vor den Füßen von Ute und Wassersäcke zwischen den Beinen und in unseren Booten verstaut. Alexander hatte dafür die beiden Zelte und Schlafsäcke von sich und den Eltern neben seinen Paddelsachen im Boot. Insgesamt verstauten wir in unseren Booten ca. 60 l Wasser für die vier Tage. Waschen und kochen konnten wir mit dem Ostseewasser, dessen Salzgehalt eher gering ist, aber zum Trinken und für Kaffee und Tee kalkulierten wir mindestens 3 l pro Person und Tag.
Irgendwann zwischen 6 und 7 Uhr am nächsten Morgen, waren wir ausgeschlafen. Ich nutzte nochmal die warme Dusche und sortierte meine Sachen bevor wir gemeinsam frühstückten, die Zelte mussten wir noch feucht einpacken, unsere bepackten Boote wurden diesmal noch mit den Bootswagen an den Steg gerollert. Danach wurden die Bootswagen in den Autos verstaut und diese dann auf dem Parkplatz vom Campingplatz abgestellt und tatsächlich waren wir deutlich vor 10 Uhr auf dem Wasser!
Mit einzelnen Regenschauern, unterbrochen von zwei kurzen Pausen und einer längeren Mittagspause querten wir zunächst die Bucht Gåsfjärden vor Blankaholm paddelten unter einer kleinen Brücke hindurch, dann entlang vieler Inseln bis zu einer kleinen Insel nahe Mjödö in der Nähe von Västervik. Nach 28 km hatten wir am Nachmittag einen schönen Platz zum Zelten erreicht.
Der zweite Tag forderte uns etwas stärker, wir hatten auf dem Weg nach Norden weniger Schutz durch vorgelagerte Inseln und der Wind blies immer noch mit 4-5 Bft. aus südlicher Richtung. Bei Wellenhöhen von bis zu einem Meter, schob uns der Rückenwind immer wieder in die Wellentäler und bremste die Boote aus. Das Paddeln erforderte gerade auf den offenen Teilstücken (z.B. die Querung der Bucht von Loftahamar) unserer Etappe hohe Konzentration. Zudem galt es immer auf Felsen zu achten, die häufig nur wenige Zentimeter aus dem Wasser ragten, oder sogar knapp überspült waren. Ich war mit so vielen Eindrücken und Anforderungen beschäftig, dass ich froh war, mich nicht um die Navigation kümmern zu müssen. Adolf hatte Sportbootkarten im Maßstab von 1:50 000 in einer großen DIN 2 Kartentasche vor sich und kannte sich wirklich sehr gut aus. Dadurch blieb uns auch die sonst zwangsläufig notwendige, nachmittägliche Suche nach einem geeigneten Zeltplatz erspart.
Wir steuerten nach 26 km einen wunderschönen geschützten Platz in der Nähe von Karö an. In den Mittagspausen aßen wir Brote und am Nachmittag wurde nachdem die Zelte standen gekocht. Ute hatte einen abwechslungsreichen Speiseplan entworfen und die entsprechenden Zutaten „gebunkert“. Nachdem Essen gab es zum Tee Süßigkeiten. Das Wetter hatte sich beruhigt und wir wurden sogar von einigen Sonnenstrahlen verwöhnt. Alexander und Adolf ließen sich auch vom höchstens 14 Grad kaltem Wasser nicht abhalten und sprangen vom Felsen ins Wasser. Ich versuchte es am nächsten Morgen, kletterte aber nach ein paar Zügen schnell wieder an Land.
Der dritte Tag war insgesamt wesentlich freundlicher und die Temperaturen überschritten in der Sonne die 15 Gradmarke. Nach 27 km landeten wir wieder auf einer traumhaften kleinen Insel mit herrlichem Blick auf die Inselwelt. Von nun an ging ich fast jeden Tag mehrmals Schwimmen, nicht so lange wie die anscheinend völlig kälteunempfindlichen Männer der Familie Köwitsch aber mit immer mehr Freude an dem wunderschönen klaren Ostseewasser.
Der vierte Tag führte uns an einer Insel mit unzähligen Kormoranen vorbei, sie hatten fast alle Bäume in Beschlag genommen. Plötzlich erhob sich aus der Kolonie ein imposanter Adler, der sich offensichtlich bei den Kormoranen „bedient“ hatte. Alex und ich zückten unsere Fotoapparate... Leider war dieser imposante Ort von einem üblen Gestank geprägt, verursacht von den Ausscheidungen der Vögel. Am Nachmittag paddelten wir nach Fyrdden einen Ort mit Seglerhafen und einem kleinen Supermarkt, hier frischten wir unsere Brot- und Gemüsevorräte auf, kauften Milch ein und füllte die Wassersäcke. Bis zum anvisierten Zeltplatz auf Strakholmen waren es nur noch wenige Kilometer und wir hatten wieder Glück, er war frei. Dies war auch schon anders erfuhr ich von Alexander, der Kiesstrand ist auch bei Sportbootfahrern ein beliebter Ankerplatz.
Am fünften Tag paddelten wir erst im Außenbereich der Schären und danach durch eine kleine Wasserstraße weiter Richtung Norden bis I Kärrö und von dort am nächsten Tag zum nördlichsten Punkt unserer Tour Arkösund, mit seinem schon größeren Seglerhafen, einer Station der schwedischen Seenotrettung, einem Supermarkt und einem Verkaufsstand mit frischem und geräuchertem Fisch. Wir kauften eine Art geräucherter Makrele und verspeisten diesen Leckerbissen direkt am Hafen. Zurück ging es bei schönem Wetter Richtung offener Ostsee nach Süden zur Insel Låhjö. Hier teilten wir unseren Zeltplatz mit Schafen und Kühen. Am Abend spazierten wir auf die andere Seite der Insel, wo wir an einer Müllstation unseren Müll entsorgten und die gepflegte Biotoilette nutzten. Diese Stationen gibt es immer wieder auf den Inseln, sie sind in den Seekarten eingezeichnet und werden von den Sportbootfahrern und Seglern genutzt. Die Mülltonnen werden regelmäßig entleert und der Toilettencontainer in einem Biokomposter mit Sägemehl umgeschüttet. Am 7. Tag paddelten wir 29 km an den äußeren Schären entlang Richtung Süden bis nach Krågkmarö, ein wunderbarer Sonnenuntergang verzauberte uns und die Insel.
Am 8. Paddeltag machten wir wieder einen Abstecher nach Fyrudden zum Einkaufen und steuerten nach 30 Kilometern unseren schon bekannten Zeltplatz Huvudskär an. Dunkle Wolken zwangen uns ganz schnell die Zelte aufzubauen und dann bildete sich ein sagenhafter Doppelregenbogen hinter der Insel, nach einer halben Stunde hatte sich der Regen verzogen und damit leider auch das Farbspiel am Horizont. Der 9. Paddeltag führte uns mit leichtem Ostwind nach Westen. Adolf lotste uns vorbei an vielen kleinen Inseln zielsicher zur Einfahrt von einer kleinen schilfbewachsenen Durchfahrt südwestlich von Stora Askö, um dann südöstlich Richtung Ostsee nach Kårö mit der winzigen Insel L. Flatholme zu kommen.
Von dort ging es am 10. Tag weiter, außen an Hallmare vorbei nach Loftahammar um im dortigen Supermarkt und der Bäckerei einzukaufen. Auf Hallmare gibt es auch einen Campingplatz, der sich für Touren in dieser Region anbietet. In diesem Jahr wurden coronabedingt keine Zelttouristen aufgenommen. Wir übernachteten auf einer kleinen Insel vor Skarget auf Hasselö. Am nächsten Tag den 15. Juli, „beteiligten“ wir uns an dem alljährlichen „Hasselörodden“: Mit rund 40 original restaurierten Kähnen starten Ruderer in Trachten der Jahrhundertwende morgens von der Insel Hasselö nach Västervik. Wir ließen Västervik rechts liegen und paddelten weiter nach Vistingsö, ein Felsenplatz mit Zeltmöglichkeiten im Kiefernwald. Am nächsten Tag waren wir mittags wieder in Blankaholm, nachdem wir die Zelte aufgebaut und geduscht hatten fuhren wir mit dem Auto nach Västervik zum Einkaufen.
Das Wetter war nun sommerlich warm und das „warme“ Wasser in der Bucht von Blankaholm lud nun auch mich zu einer großen Schwimmrunde ein. Ich freute mich sehr, als es am nächsten Tag bei herrlichen Bedingungen wieder Richtung Osten hinaus auf die freie Ostsee ging, wir zelteten auf Ekö. Mit Adolf lief ich nach dem Abendessen durch Gestrüpp und Blaubeersträuchern zu einem kleinen See, den wir auf der Karte entdeckt hatten. Vorbei an einer Kreuzotter fanden wir nach 500 m einen verwunschenen kleinen See mit vielen Seerosen.
Die nächsten Tage brachten uns sommerlich warme Temperaturen und weitere Ausflüge zu Inseln weit in der Ostsee. Dort entdeckten wir auf einem Felsen einen stattlichen Adler. Das glasklare Wasser lockte uns und wir gingen mehrmals täglich schwimmen. Etwas südlich von uns sahen wir den Kühlturm und die Gebäude eines Kernkraftwerkes mitten in dieser schönen Natur....
Nach einem Abstecher in die Bucht von Klimtemola paddelten wir nach 16 traumhaften Paddeltagen wieder zurück zu unseren Autos nach Blankaholm. Wir waren mittags angekommen und hatten uns mit dem Umpacken und Aufladen der Boote beeilt, so dass wir kurz nach Mitternacht wieder zurück in Trittau waren. Ich bedanke mich hier noch einmal ganz herzlich bei Ute und Adolf, für die hervorragende Versorgung, die Weitergabe der umfassenden Erfahrungen in diesem wunderschönen Paddelrevier und natürlich für die wundervollen gemeinsamen drei Wochen.
Matthias