Macht Paddeln seekrank?
Diese Frage stellte sich eine Woche vor Ostern, als 15 Jugendliche und fast ebenso viele Erwachsene des KC Zugvogel ins französische Sault Brénaz aufbrachen. Mit der zur Tradition gewordenen Fahrt ins Trainingslager an der Rhone bei Lyon läuteten die Zugvögel die alljährliche Paddelsaison ein. Kein Wunder, ist doch der Wildwasserkanal im Süden Frankreichs eine echte Perle unter den künstlichen Trainingsstrecken für Wildwasser-Kanuten. Auf seinem geschwungenen Parcours bietet er ideale Möglichkeiten den im Winter eingerosteten Bewegungsapparat zu lockern und sich mit Boot und Paddel wieder vertraut zu machen. Für alle, die das „Espace Eau Vive“ nicht kennen: Idyllisch umgeben von den Bergen der Rhone-Alpes liegt der Kanal auf der kleinen Flussinsel Île de la Serre. Am Kopf der Insel wird ein Flussarm durch den Staudamm Villebois gestaut. Dem anderen Arm wird das Wasser entnommen und schießt zur Freude der Paddler mit ordentlichem Gefälle durch die Trainingsstrecke in den aufgestauten Flussarm. Am unteren Ende der Insel wird dann die Rhone über ein Wasserkraftwerk zusammengeführt.
Aber diese lokalen, technischen Besonderheiten waren für die Kölner Kanuten ohne Belang, als sie am Sonntagmorgen zur ersten Übungseinheit über das türkisfarbene Wasser der Rhone zogen. Ziel war der Auslass des Kanals, auf dem Plan stand Traversieren. Schnell trennte man sich in mehrere Kleingruppen auf, und nachmittags suchten sich die Ersten größere Herausforderungen im Wildwasser-Parcours. Der Rest folgte im Laufe des kommenden Tages und die Kehrwasser füllten sich mit den Zugvögeln. Das reizvolle an Espace Eau Vive in Sault Brénaz ist, dass es für jeden was zu bieten hat: Zwei Wasserfälle, den großen und den kleinen „Plöpp“, die Dreier-Walze und zwischendurch immer wieder leichtere Stellen für den ambitionierten Anfänger. Sehr schön sind auch die vielen Kehrwasser mit genügend Platz zum Sammeln, Verschnaufen und Erfahrungsaustausch.
Die Trainingseinheiten leiteten Iain, Michael, Dieter, Matthias und Stephan. Unterstützt wurden sie dabei von Jan und Gerrit. Mit routiniertem Blick erkannten sie das Verbesserungspotenzial eines jeden einzelnen und gaben jede Menge wertvolle Tipps und Tricks. Und wenn das nicht half, sorgten sie mit unermüdlichem Einsatz, dass die gekenterten „Schwimmer“ das rettende Ufer sicher erreichten, und frei treibende Paddel und Boote eingefangen wurden. Natürlich bestand das Programm nicht nur aus den beiden täglichen Trainingseinheiten. Wer vom Wasser nicht genug bekam, konnte zwischendurch mit Lars und seinem Rafting Booten oder per Hydrospeed, einer Art Schwimmbrett, den Kanal unsicher machen. Daneben standen zwei Ausflüge in die nähere Umgebung auf dem Plan. Der erste ging nach Crémieu und seinem Markt unter dem Steindach der mittelalterlichen Markthalle. Und am Freitag wurde eine Gruppe Interessierter durch die Tropfsteinhöhle von La Balme geführt.
Überhaupt lief Dank der sehr guten Vorbereitung und Organisation alles glatt in dem angemieteten Selbstversorgerhaus. Was ein kleines Wunder war, schließlich brachten die 30 angereisten Rheinländer es an die Grenzen seiner Kapazität. Verantwortlich war dafür das prima eingespielte Orgateam um Petra und Andrea. Sie teilten die Teilnehmer in gemischten Arbeitsgruppen aus Jugendlichen und Erwachsenen ein, sodass jeder nach seinem Können an den täglich anfallenden Hausarbeiten beteiligt wurde. Lediglich der Verlust eines Bootes hätte die Stimmung etwas trüben können. Darum wurde auch abends bei „einer Tasse Bier“ beratschlagt, ob man den Hersteller nach 20 Jahren Gebrauch auf Gewährleistung zur Verantwortung ziehen könnte. So bleibt abschließend nur die eingangs erwähnte Frage, ob Paddeln seekrank macht. Eine Antwort darauf gab es nicht. Einig waren sich aber alle in Einem: Paddeln macht süchtig!
Erik Fullmann