Schweden rund um Göteborg

Schweden rund um Göteborg

Schwedens Westschären rund um Göteborg


Vor knapp 2 Jahren fassten Matthias und ich den Plan, eine zweiwöchige Tour entlang Schwedens Westschären zu paddeln. Am 11.07.2023 um 06:25 schaltete die Ampel vor dem Bootshaus auf grün und es ging tatsächlich los. Ziel war der Stena Line Fähranleger in Kiel. Von dort aus sollte die Fähre um 18:45 nach Göteborg starten. Ein Freund, auf dessen Grundstück wir das Auto für die nächsten zwei Wochen parken durften, empfing uns in der Nähe von Kiel mit köstlichem Kaffee und selbstgebackenen Törtchen. Sogar einen Shuttle Service bot er uns an. Vor dem Terminal beluden wir die Boote bei herrlichem Wetter. Wir zogen die Kajaks, die im Vergleich zur Fähre, wie Zahnstocher wirkten, unter den Augen vieler Neugieriger in den Schlund der Stena Line. Die Überfahrt war entspannt. An Deck sangen zwei Schwedinnen ABBA aus der Retorte, während wir genüsslich zwei Burger zu unserem Bier verdrückten. Mit der entsprechenden Bettschwere krabbelten wir in die Kojen und schlummerten, durch das Bullauge auf die Ostsee schauend, ein. Ein gesegneter Schlaft, trotz kräftig blasender Klimaanlage, dessen Ausschalter wir nicht fanden. Sollte dies bereits ein Vorbote auf die kommenden Tage sein? Am 12.07.2023 um 09:15 legten wir pünktlich bei gruseligem Wetter (Wind und Regen) in Göteborg an. In voller Montur und entsprechend wetterfest rollerten wir voller Vorfreude neben LKW’s, Autos mit und ohne Anhänger aus dem Schlund der Fähre zu einer nahe gelegen geriffelten Metallrampe, die wir bereits vom Schiff aus, „gespottet“ hatten. Der ideale Platz zum Einsteigen; so meinten wir zumindest. Wir hatten die Rechnung jedoch ohne „Billo“ gemacht. Nachdem wir unter der Schranke, die den Weg zur Rampe versperrte, mit samt den Kajaks durchgekrochen waren, verstauten wir die Bootswagen. Als wir das erste Kajak ins Wasser heben wollten erschien „Billo“. „Billo“ ein ausgewachsener rosafarbener Amphibienbus, dessen Vorderseite mit furchteinflößenden Haifischzähnen bemalt war und in dessen Magen zahlreiche Touristen hungrig auf uns herabblickten. Mit der jungen Fahrerin war nicht zu spaßen. Nach einer Standpauke gab sie uns eine Gnadenfrist von ZWEI Minuten, die Boote von dem Privatanleger ins Wasser zu lassen und uns vor DER WELLE in acht zu nehmen. Hüfttief seitlich der Rampe auf rutschigen Befestigungssteinen stehend, schoß „Billo“, wie auf der Jagd nach einem vorbeiziehenden Makrelenschwarm, ins Wasser. Mit Mühe könnten wir die Boote und uns halten. Nach überstandenem Tsunami paddelten wir los. Die erste Tagesetappe sollte bereits länger werden als geplant.

Entlang des gut gekennzeichneten westwärts führenden Tonnenstriches paddelten wir ins Kattegatt. Es ging recht flott voran, Wind aus Osten und mit der Strömung. Ziel sollte Öckerö in ca. 20 km Entfernung sein; also kein Problem für Rhein erprobte Paddler. Allerdings verschlechterte sich das Wetter rasch. Es setzte der vorhergesagte Starkregen ein. Die Sicht wurde immer schlechter und der Wind stärker. Der Referenzpunkt, eine Brücke, verschwand hinter dem grauen Vorhang des Regens. So landeten wir zunächst einmal in dem vor den mittlerweile recht ordentlichen Wellen schützenden Hafen in Klävan. Nach einer kleinen Stärkung und erfolgreicher Orientierung mit Hilfe der Seekarte und GPS, ging es nordwärts an Öckerö vorbei. Dort hätten wir auf einem Zeltplatz übernachten können. Die Kraft reichte zum Weiterpaddeln aus. Es sollten noch 12 Kilometer entlang der bezaubernden, rauen Küste werden, bis wir auf einer von Gott verlassenen einsamen Insel mitten im Nirgendwo eine ca. 20m² große begrünte Fläche fanden, die ausreichend Platz für zwei Kajaks, zwei Zelte und einen Trangia Kocher bot. Zur Begrüßung wurde ich von einer kleinen, sehr roten Ameise gebissen. Wusste gar nicht, dass das Gift von roten schwedischen Ameisen so verdammt brennen kann. Mückenspray hatte ich dabei, aber der hilft nicht gegen rote Ameisen. Das Wetter hatte sich inzwischen gebessert. Es regnete nicht mehr, aber der Wind blies erbarmungslos – die GANZE Nacht. Das Zelt flatterte ununterbrochen. Es war laut und ich habe kein Auge zubekommen. Aber trotzdem war es sooo schön, endlich on Tour zu sein.

Der nächste Tag ging mit einem kräftigen Frühstück und Kaffee los - mit viel Kaffee - und mit dem, was man sonst morgens so alles macht. Beim Beladen des Kajaks achtete ich sehr genau darauf, kein ungebetenes rotes Ungeheuer an Bord zu lassen. Mit kräftigem Südwind und entsprechend steiler Dünung von hinten - man kann das Lieben oder Hassen - paddelten wir ostwärst auf das Festland zu, um im Schutze der Schären nordwärts in traumhafter Kulisse nach Marstrand zu paddeln. Bei Sonnenschein, der immer wieder durch heftige Regenschauer unterbrochen wurde, erreichten wir Instö Kök & Bar. Matthias und ich hatten das unwiderstehliche Verlangen nach einer kräftigen Mahlzeit. Wir aßen zwei richtig leckere Schnitzel mit Allem was dazugehört. Es sollte das erste aber auch das letzte Mal gewesen sein, dass wir ein Restaurant während unserer Reise besuchten. Nach insgesamt 06:10 Std. im Kajak und 32 gepaddelten Kilometern, erreichten wir Marstrand. Nun ging die allabendliche und nicht immer ganz einfache Suche nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit los. Viele schöne Plätze waren bereits belegt. In Rosenviksbadet, einem kleinen Badestrand, befand sich eine geeignete Wiese, auf der sogar ein Reh Futter fand. Leider durfte man dort nicht zelten. 250 m von dem Badestrand entfernt, lag ein schöner Zeltplatz auf dem wir die nächsten zwei Tage verbrachten.

Am dritten Tag umrundeten wir Marstrand. Am vierten Tag setzten wir unsere Tour gen Norden fort. Es sollte auch die längste und anstrengendste Tour unserer Reise werden. Windfinder und der Wetterbericht wurden zu unserem regelmäßigen Nachschlagewerk. Der Wind blies ununterbrochen stark, wie die Klimaanlage auf der Stena Line. Zunächst waren wir ca. 6 km ungeschützt den von Südwesten kommenden Wellen ausgesetzt. Sicher kamen wir in Klädesholmen an. Die Landschaft wurde immer schöner und schwedischer. Die typischen bunten Holzhäuser mit Bootsanleger standen überall dort, wo sich Platz und Schutz zwischen den Felsen bot. Zwischen Klädesholmen und Flatholmen trafen wir auf die bislang einzigen Kajakfahrenden. Zwei amerikanische Touristen begleitet von einer ortskundigen Kajakguide. Sie warnte uns vor dem herannahenden Sturm, der mit einer Windstärke bis zu 8 bft über die nächsten Tage wehen würde. Das hatten wir bereits auf Windfinder gesehen und entsprechend in die Tourenplanung eingeplant. Es ging weiter nach Björnholmen. Björnholmen liegt sozusagen am Eingang zu Stigfjorden der Tjörn im Süden und Orust im Norden trennt, einem wunderschönen Naturschutzgebiet mit atemberaubender Schönheit. In Björnholmen gibt es eine kleine Marina mit einem edlen Hotel und einer tollen im Wasser auf Holzstelzen gebauten Sauna mit einem direkten Blick auf Stigfjorden. Für Zelte gab es rund um die Marina keinen Platz und ein Hotel kam nicht in Frage – aber die Sauna hätte ich doch sehr gerne mitgenommen. Viele Kilometer später und nach insgesamt 37,5 km spürten wir in der Nähe von Röra Strand einen vor Wind und Wetter geschützten Platz in einem kleinen Wald auf. Kaum waren die Zelte aufgestellt, schickte Thor einen Gruß aus seiner Küche; es brach ein heftiges Gewitter über uns her, dass wir nicht lange hörten.

Die Zelte und Boote überstanden das Unwetter unbeschadet. Am Morgen wurde ein treuer Begleiter, der Trangia Kocher, angeschmissen und einem köstlichen Frühstück stand nichts mehr im Wege. Gewappnet mit einem silberfarbenen, klappbaren Schäufelchen, ging es auf die Suche nach einem geeigneten Plätzchen, für Geschäfte, die man morgens manchmal so tätigt. Mensch erleichtert und Boote beladen, setzten wir unsere Reise fort. Der Pfad auf dem Wasser wurde immer schmaler. Auf beiden Seiten ragten mit Tannen bewaldete Hänge, voller bunter Farbtupfer schwedischer Häuschen, empor. Wir hatten das Gefühl in eine Sackgasse zu paddeln. Erst im letzten Augenblick tauchte die schmale und flache Passage auf, die den Weg Richtung Almösund freigab. Ca. zwei Stunden später lagen die Kajaks auf Almöns Bad & Camping am Rande des Hakefjorden. Dort wollten wir die nächsten drei Tage abwettern. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir allerdings nicht, dass wir am folgenden Tag kurz davorstehen würden, die Tour abzubrechen. Nach dem routinierten Aufbau der Zelte, stand ein Supermarkt Besuch an. Es sollte ein richtig leckeres Abendessen mit saftigen Schweinfilet, Kartöffelchen und Gemüse werden; das leckerste Abendessen unserer Reise. Nachts wurde der Wind, wie angekündigt, immer stärker.

Da mein Skeg bereits seit der Ankunft in Schweden klemmte und es nicht besser wurde, unternahmen wir einen Reparaturversuch. Wir kippten etwas Speiseöl in die Drahtfrührung des Skegs und versuchten vergeblich, durch Auf- und Abbewegungen des Skegs, den Lauf etwas geschmeidiger zu machen. Mit schwer ausfahrbaren Skeg paddelten wir eine vom Wind geschützte Route zurück nach Stigfjörden. Auf der vom Wind abgewandten Seite einer idyllischen kleinen Insel legten wir eine Pause ein. Matthias nutze die Gunst der Stunde und nahm das zweite Bad der Reise. Als wir abends, zurück am Zeltplatz, mein Kajak aus dem Wasser heben wollten, wunderte Matthias sich, warum mein Boot so schwer war. Noch ahnte ich nichts. Als ich jedoch den hintern Lukendeckel öffnete, traute ich meinen Augen nicht. Meine wasserfesten Beutel schwammen tief im Wasser. Das komplette Heck stand unter Wasser. Es stellte sich heraus, dass unser Reparaturversuch den Schlauch, der zum Skeg führte, herausgerissen hatte und nun Wasser ungehindert in das Heck eindringen konnte. So hätten wir niemals weiterpaddeln können. Zum Glück gab es bei einer Marina Sikaflex und Sekundenkleber. Mit roher Gewalt schaffte ich den Draht des Skegs etwas gerade zu biegen. Danach klebte ich das Skegröhrchen mit Sekundenkleber fest und rundete das Ganze mit Sikaflex erfolgreich ab. Das Leck war gestopft und das Skeg ließ sich vernünftig bewegen.

Laut Wetterbericht sollte der starke Wind ca. 2,40 m Wellen aufbauen und von Westen wehen. So konnte die Reise nicht gesichert fortgeführt werden. Um eine Vorstellung der Wasserverhältnisse zu bekommen, brachen wir zum „Probepaddeln“ mit Hakefjorden Querung auf. An einer nicht so breiten Stelle des Fjords verließen wir die windgeschützte Seite und starteten die Querung. Beim Erreichen der Mitte wurde es sehr ungemütlich und äußerst anspruchsvoll. Stützen, paddeln, stützen, paddeln…. Unbeschadet erreichten wir den Zeltplatz. Lehren des Tages: Bei ähnlichen Wetterbedingungen und mit vollbeladenen Kajaks wäre eine sichere Weiterreise nicht möglich.


Am Morgen des achten Tages fand jemand den Ausschalter für den Wind. Eiligst wurde das Gepäck im Boot verstaut. Dem Hakefjorden südwestlich folgend, fand die Querung problemlos bei Berga statt. Der Wind begann wieder zu blasen. Fünf weitere Stunden pflügten wir durch Wellen und gegen den Wind. Nach 35,4 km lagen die Boote in einer kleinen Marina und wir in den Zelten. An das laute Flattern der Zelte im Wind hatten wir uns gewöhnt. Weiter ging es 26,70km entlang des Norde Älvs Fjord ins Landesinnere nach Kungälv zur nächsten Übernachtungsstelle. Die geschichtsträchtige Bohus-Festung, eines der sieben Wunder Västra Götalands, prägte das ansonsten langweilige Stadtbild.


Hinter Kungälv rechts abbiegen und den Göta älv ca. 23 km bis nach Göteborg paddeln. Im Göteborg Hafen, den wir nur zum Teil am Tage der Ankunft kennengelernt hatten, fand ein reges Treiben statt. Auf die vielen kleinen und wendigen Fähren, die wie aus dem Nichts auftauchten, musste man höllisch achten. Wir nutzen die Gelegenheit und fanden einen geeigneten Ausstieg für den Abreisetag. Am Abend bot eine kleine Insel südlich von Göteborg vor Sjöbacken eine gute Übernachtungsmöglichkeit und Schutz vor dem Wind. Die lauernde Gefahr entdeckte Matthias am nächsten Morgen zum Glück rechtzeitig. Eine Kreuzotter schlich in der Nähe der Zelte unter den gespannten Wäscheleinen vorbei. Acht Stunden später, auf dem Zeltplatz in Askim, brutzelte das leckere Abendessen auf dem Trangia Kocher.


Am nächsten Tag wurde der Joker eingesetzt. Spontan, weil das Wetter es zuließ, ging es ohne richtigen Grund auf die 13 km entfernte Insel Stora Kläholmen. Aus der Ferne erschien neben dem großen, weiß-grün gestreiften Leuchtturm ein großes mehrgeschossiges Holzhaus. Beim Näherkommen erkannte man die Strukturen weiterer kleiner Gebäude. Beim Erreichen der Insel sahen wir tatsächlich auch Kajaks, die auf Holzleitern gebettet, auf den Felsen lagen. Vor einem der kleinen Häuschen saß eine schlaksige hochgewachsen Frau. Sie aß genüsslich Spinat mit Rührei. Irgendwie erinnerte sie mich an Olivia, Popey’s Frau. „Olivia“ lud uns auf „ihre“ Insel ein. Über eine kleine ins Wasser gelassene Holzrampe stiegen wir aus den Kajaks. Auch sie wurden, auf Holzleitern gebettet, über die Felsen gezogen. Die Insel, bzw. die Gebäude auf der Insel, mit Ausnahme des Leuchtturms, gehörten seit 1913 einem Kajakclub. Später trafen wir weitere Mitglieder, die das Wochenende auf der Insel verbringen wollten. Nach Gebäude- und Inselbesichtigung fand der Eintrag ins Gästebuch statt. So langsam mussten wir die Rückfahrt antreten, da eine Schlechtwetterfront im Anmarsch war und die Ostsee unruhiger wurde. Mit Ankunft am Zeltplatz fing es an für die nächsten 15 Stunden wie aus Eimern zu schütten.


Für den Abreisetag war wieder starker Wind und Welle vorhergesagt. Da am frühen Morgen der Wind oftmals schwächer war, starten wir die letzten 18 km der Reise um 05:00 in den Sonnenaufgang hinein. Bei Ankunft in Göteborg und nach 317 gepaddelten Kilometern lief gerade die Stena Line aus Kiel kommend ein. Sie würde uns am Abend pünktlich zurück nach Kiel bringen. Am späten Nachmittag des 26.07.2023 bog Matthias Volvo auf das Clubgelände ab. Geschafft!


Wir hatten wahrwerden lassen, was vor knapp zwei Jahren als Idee entstanden war. Ob wir das nächste Mal Göteborg - Olso paddeln? Mal schauen :)


Jens

(mehr Bilder seht ihr in der Galerie)

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